Vorlesen – kinderleicht gestalten

Mit Spaß und Fantasie ins Reich der Hexen, Feen, Zauberer

Kinder mögen Geschichten – egal wie alt sie sind. Und besonders schön ist es für sie, wenn jemand die Geschichten spannend vortragen kann. Nun könnte man meinen, dass es gar nicht so schwierig ist, eine interessante Vorlesestunde zu gestalten. Genau so ist es auch – viel mehr als ein gutes Buch, interessierte Zuhörer und ein wenig Muße benötigt man kaum. Doch sollte sich jeder, der seine Kinder oder auch eine Gruppe von Kindern in Kindergarten, Schule oder Bücherei in das Reich der Fantasie entführen möchte, ein paar kleine Regeln beachten. Denn nichts ist ermüdender als ein wenig motivierter Vorleser mit leiernder Stimme…

Die Vorbereitung beginnt bei der Suche nach den geeigneten Räumlichkeiten. Dort sollte es ruhig sein, ein Vorlesen ohne störende Unterbrechungen möglich sein. Man kann sich mit wenigen Handgriffen einen Raum auch gemütlich gestalten – ein paar Kissen auf den Boden, gedämpftes Licht – schon ist aus einer nüchternen Umgebung ein kleines Märchenreich geworden.

Wichtig ist ebenfalls die Dauer einer solchen Vorlesestunde. Kinder, die bislang wenig Umgang mit Büchern und Geschichten hatten, können anfangs meist nicht länger als 10 bis 15 Minuten am Stück einer Erzählung folgen. Dann bietet es sich an, eine kurze Unterbrechung zu vollziehen, über die vorgelesene Geschichte zu sprechen, sie noch einmal Revue passieren zu lassen oder gar ein Bild dazu zu malen. Die Vorlesezeit kann langsam gesteigert werden, allerdings sind Kinder im Vorschul- und Grundschulalter wohl kaum mehr als 60 Minuten für ein Buch zu begeistern.

Die Sitzordnung bei einer Lesung hängt in erster Linie von der Gruppengröße ab. Die Regel dabei ist: je kleiner die Gruppe, desto besser. Kleine Gruppen bis etwa zehn oder zwölf Kinder platziert man in einem Halbkreis um sich. Mädchen und Jungen, die eher unruhig sind, holt sich der Vortragende möglichst nah in seinen eigenen Radius, um so bei Störungen unmittelbar reagieren zu können. Auch sollten die Altersunterschiede in der Gruppe nicht zu groß sein – Kinder mit vier Jahren mögen andere Geschichten als Kinder mit zwei oder acht Jahren.

Papierfresserchens MTM-Verlag selbst hat seit seinem Bestehen zahlreiche Lesungen organisiert – so wie hier auf unserem Archivbild, das bei einer Lesung zum WDR-Maustag in unserem alten Büro in Nonnenhorn entstand.

Soll ein Vorlesen regelmäßig stattfinden, so ist die „Inszenierung“ einer Vorlesestunde nicht zu unterschätzen. Es sollten Rituale geschaffen werden, auf die sich die Kinder einstellen können, sodass sie wissen: „Aha, jetzt wird vorgelesen!“ Besonders wichtig ist dabei das Eingangsritual, das die Stunde eröffnet: Man kann einen Märchenteppich ausbreiten, seine Lesebrille aufsetzen oder mittels einer Klangschale die Stunde „einläuten“. Manchmal können während des Vortrags kleine Hilfsmittel wie Handpuppen oder Utensilien, die in der Geschichte vorkommen, die Konzentrationsfähigkeit der Kinder steigern.

Die Praxis des Vorlesens

Kinder müssen die Freude des Vorlesers an der Sache spüren! Wenn jemand seinen eigenen Spaß am Buch auch beim Lesen vermitteln kann, dann hat er schon halb gewonnen. Natürlich sollte langsam, deutlich und laut gelesen werden und immer wieder sollte auch der Augenkontakt zu den Kindern gesucht werden. Das beruhigt unruhige Kinder ebenso wie kleine Pausen, die immer wieder einmal eingelegt werden sollten. Gestik und Mimik können, wenn auch sparsam, eingesetzt werden, denn immerhin ist der Vortragende kein Schauspieler, der die Geschichte auf ganz andere Weise erzählen würde.

Manchmal ist es hilfreich, sich vom Text zu lösen, beispielsweise wenn man erkennt, dass die Geschichte viel zu lang ist, Passagen auftauchen, die nicht kindgerecht sind oder man einer Geschichte einfach ein wenig auf die Sprünge helfen möchte. Selbstverständlich ist es wichtig, dass der Vorleser sich das Buch vorher intensiv angeschaut und auch schon einmal eine Leseprobe für sich gemacht hat, damit er weiß, wo Betonungen zu setzen oder Pausen wichtig sind. 

Wenn Bilderbücher vorgelesen werden, dann sollten Kinder die Möglichkeit haben, die Bilder auch zu betrachten. Denn ein aktives Einbeziehen der kleinen Leseratten ist wichtig. Geübt sein will auch der Umgang mit Störungen, auf die man stets ruhig, aber bestimmt reagieren sollte.

So wichtig wie das Eingangsritual ist auch die Schlussphase einer Erzählstunde. Auch hier entwickelt man am besten kleine Rituale, um die Kinder wieder in die „Realität“ zu führen. So kann man einen kleinen Kreis bilden, ein Sprachspiel veranstalten oder ein kurzes Gedicht aufsagen und sich dann voneinander verabschieden.

Die Auswahl des richtigen Buches

An erster Stelle bei allen Vorbereitungen auf eine Vorlesestunde steht die Auswahl des Buches. Es muss auf jeden Fall altersgerecht sein. Bei kleinen Kindern sollte die Geschichte bebildert sein, denn sie brauchen zum Verstehen des Inhalts oft noch einen visuellen Anreiz. Und bei ihnen muss eine Geschichte kurz sein. Es bringt wenig, gleich mit einem Kinderroman Vierjährige an Bücher heranführen zu wollen.

Wer nicht die größte Erfahrung mit Kinderbücher hat, kann sich in Buchhandlungen oder auch Bibliotheken über Neuerscheinungen aber auch über ältere Buchtitel informieren. Auch Klassiker, die man vielleicht als Kind selbst schon gelesen hat, sich durchaus für Vorlesestunden geeignet.

Vorlesen macht Spaß! Und wer zumindest einige der genannten Anregungen beherzigt, kann sich mit seinen eigenen oder fremden Kinder auf eine unglaublich spannende Reise ins Reich der Hexen, Feen und Zauberer begeben.           

Veröffentlicht von Martina Meier

Martina Meier MA

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